1. Was hat Sie bewogen, sich in der amm zu engagieren?
Für mich haben zwei Gründe für dieses Engagement gesprochen: Zum einen finde ich das Gesundheitswesen in der Schweiz in seiner Qualität einzigartig, ich habe viele Jahre im Ausland gelebt und auch andere Systeme gesehen. Aber ich teile die Kritik der amm, dass sich dieses System zuletzt nicht zum Wohl der Bevölkerung entwickelt hat, und identifiziere ich mit ihren Anliegen – jedenfalls mit den allermeisten. Ich sehe mich da als Bürgerin auch in der Pflicht, aktiv zu einer Verbesserung beizutragen, wo ich kann. Der andere Grund ist die amm selbst, auch sie ist einzigartig: so viel versammeltes Fachwissen, so viel leidenschaftliches, uneigennütziges Engagement, so viel Freiwilligenarbeit. Dass man sich ohne Scheu mit klaren Positionen exponiert, finde ich bemerkenswert und unterstützungswürdig. Die amm beweist, dass man zu einer Stimme, einer Interessenvertreterin werden kann, ohne dass man selber profitiert. Sie ist eine echte Non-Profit-Organisation, und so etwas muss man pflegen, fördern und am besten selber mitmachen.
2. Welche Entwicklungen machen Ihnen konkret Sorgen?
Wir drohen in ein Zweiklassensystem abzudriften. Das Gesundheitssystem muss für alle da sein. Die Kostenexplosion, verursacht durch zu viele Partikularinteressen und falsche Anreize, führt aber zu einem System, das nur zum Vorteil Gewisser wirkt, ob finanziell oder leistungsbezogen. Grossbritannien lebt vor, wie es nicht sein sollte: Der «National Health Service» war der Stolz des Landes, bis er zum Nachteil des überwiegenden Teils der Bevölkerung totgespart wurde. Wenn man überhaupt einen Termin bekommt, dann für sechs Minuten und ohne Anspruch darauf, dass sich ein Facharzt das Problem anschaut. Menschen bekommen mangels Geld und Personal keine Krebsbehandlungen! Ich habe selbst vier Jahre in Großbritannien gelebt und in dieser Zeit einen Überlastungsbruch in meinem Fussgelenk erlitten. Mir wurde eine zeitnahe und sorgfältige Abklärung mittels bildgebender und fachärztlicher Behandlung verwehrt. Schlussendlich habe ich alles auf eigene Kosten in Zürich machen lassen – immerhin hatte ich diese Möglichkeit. Für die Schweiz gilt: Wehret den Anfängen!
3. Wie beurteilen Sie denn das Fundraising-Potenzial der amm?
Geld für politische Arbeit und die Grundkosten einer Organisation einzuwerben ist immer schwierig, viele Stiftungen schliessen das explizit aus. Ein Projekt wie das amm Café Med ist dagegen sehr handfest und funktioniert für gezieltes Fundraising. Es leuchtet möglichen Spendern und Partnern sofort ein, dass es einen konkreten Nutzen mit Reichweite hat und dass ein so grosses ehrenamtliches Projekt im Hintergrund Aufwand verursacht. Dieser ist aber gemessen an der Wirksamkeit des Projektes eher bescheiden.
Im institutionellen Fundraising – also bei Stiftungen, Organisationen, möglicherweise auch bei der öffentlichen Hand – geht es darum, die Beziehungen zu erweitern und zu vertiefen. Das braucht Zeit. Stiftungen haben ihre Termine und Prozesse, die zu berücksichtigen sind. Was private Spenden betrifft, sollte man im Zentrum anfangen, bei den Menschen, die einem bereits zugewandt sind. Pragmatisch und direkt, ohne starres Konzept.
Der generelle Knackpunkt ist oft eine unrealistische Erwartung, d.h. dass die benötigten Mittel innert kurzer Zeit zusammenkommen müssen. Diese Erwartung wird mangels Zeit und Kapazität oft enttäuscht. Als professionelle Fundraiserin kenn ich mich mit diesen Herausforderungen aus. Leider kann ich das operative Fundraising für die amm nicht übernehmen, ich habe einen Job, der mich zeitlich voll ausfüllt. Aber meine Expertise und Erfahrung bringe ich gern strategisch und unterstützend für die amm ein.
Interview: Stephan Bader
Nathalie Fontana ist seit gut 20 Jahren als Spezialistin in strategischer Philanthropie in der Grossspenden-Akquisition an renommierten Hochschulen in Europa tätig. Derzeit leitet sie das Kontinental-Europäische Fundraising der Universität Oxford (England). Weitere Stationen ihrer Karriere waren an der European School of Management and Technology (ESMT Berlin), der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) sowie als Administrative Direktorin des Museums Haus Konstruktiv in Zürich.
Nathalie Fontana engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich, seit 2009 bei CASE (Council of Advancement and Support in Education), seit 2012 als Vorstandsmitglied der Swiss-American Society sowie seit 2023 als Vorstandsmitglied der Swiss Friends of Oxford University.