1. Was hat Sie bewogen, sich bei der amm zu engagieren?
Mich beschäftigen Themen und Fragen, die seit vielen Jahren innerhalb der amm erfolgreich diskutiert und beantwortet werden. Die amm arbeitet interprofessionell, ist lokal und überregional sehr gut verankert und kann auf sehr erfahrene Fachpersonen im Beirat zählen. Als Vorstandsmitglied möchte ich mich mit interessierten Personen austauschen und noch intensiver mit dem aktuellen und künftigen Gesundheitswesen auseinandersetzen.
2. Welcher Aspekt der Menschenmedizin ist Ihnen besonders wichtig? In welchem Bereich sehen Sie besonders dringenden Handlungsbedarf?
Ich denke dabei in erster Linie an einen anspruchsvollen Balanceakt. Auf der einen Seite steht der Wunsch nach ganzheitlicher und individueller Medizin, wenig Einschränkungen, viel Freiheit und Selbstbestimmung. Auf der anderen Seite verursachen diese Werte und Wünsche hohe Kosten, benötigen Ressourcen und müssen finanziert werden können. Handlungsbedarf sehe ich bei einer transparenteren Aufklärung und einer «Wertediskussion». Was möchten wir uns als Gesellschaft leisten, wie viel darf es kosten und was kann ich als Individuum ausserhalb und innerhalb des Gesundheitswesens beitragen?
3. Wenn Sie darüber entscheiden könnten: Welche konkrete Änderung würden Sie am Gesundheitswesen in der Schweiz vornehmen und warum?
Mir fehlen wichtige Grundlagen, um heute etwas am «Gesundheitswesen» ändern zu wollen. Ich weiss noch immer zu wenig über Kosten und Finanzierung im Gesundheitswesen oder über die Prioritäten der Schweizer Bevölkerung. Als Privatperson und Arzt habe ich durchaus Vorstellungen und Vorschläge. Ich kenne bestenfalls die nicht repräsentative Haltung und Grundeinstellung meiner Nächsten. Dies reicht aber nicht, um innovative Massnahmen auf nationaler Ebene vorschlagen zu können. In diesem Sinne wünsche ich mir breit angelegte Umfragen und Diskussionen bei und mit den Prämienzahler*innen, basierend auf zahlreichen und konkreten Beispielen. Wenn wir uneingeschränkt Leistungen anbieten und beziehen möchten, werden wir über Finanzierungsmodelle sprechen müssen. Wenn wir uns einschränken möchten, müssen wir Wege finden, wie wir die qualitativ hochstehende Patient*innenversorgung auch weiterhin sicherstellen können.
Interview: Stephan Bader
PD Dr. med. Vincenzo Cannizzaro ist Leitender Arzt an der Klinik für Neonatologie am Universitätsspital Zürich. Er ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Neonatologie sowie Facharzt für Intensivmedizin. Sein klinisches Interesse liegt bei der Beatmung und der Lungen-Kreislauf-Interaktion sowie bei der Umsetzung von WZW-Kriterien bei kritisch kranken Patienten. Vincenzo Cannizzaro ist Mitglied der Zertifizierungskommission Intensivstationen (ZK-IS) der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin.