1. Was hat Sie bewogen, sich bei der amm zu engagieren?
Ich war viele Jahre leitend am Limmattalspital tätig, nicht weit vom Spital Affoltern, wo das «Modell Menschenmedizin» praktiziert wurde. Der Begriff war mir also geläufig, ich konnte damit aber zunächst nicht viel anfangen: «Machen wir nicht alle Menschenmedizin, wenn wir nicht gerade Tierärzte sind?», habe ich mich gefragt. Als mich später ein Freund und Kollege zu einem amm Café Med mitnahm, war ich aber schnell überzeugt. Seitdem stelle ich mich ebenfalls im amm Café Med als Experte zur Verfügung: Mich in einem Bereich freiwillig engagieren zu können, wo ich mein berufliches Wissen sinnvoll einbringen kann, befriedigt mich, und ich unterstütze den Kampf für eine vernünftige Medizin, für den die amm steht. Vor meiner Pensionierung habe ich in verschiedenen Rollen an der Schnittstelle von ärztlichem Bereich und Geschäftsführung gearbeitet, koordinierende Aufgaben liegen mir. Deshalb habe ich mich entschlossen, mich als Kontaktperson für die amm Café Med im Vorstand zur Verfügung zu stellen.
2. Sie bezeichnen sich als Verfechter einer starken Grundversorgung. Was meinen Sie damit konkret?
Damit meine ich in erster Linie die Hausarztmedizin, die stark unter Druck gekommen ist: Immer mehr Menschen gehen direkt zu den Spezialisten, eine aktive Steuerung der Versorgung einzelner Patient:innen durch die Hausärzte ist so kaum mehr realistisch. Diese Gatekeeper-Funktion scheitert auch an der Zeit: Gespräche, in denen die Patient:innen überhaupt erst in die Lage versetzt werden, sich für oder gegen etwas zu entscheiden, werden miserabel bezahlt, da verdient jeder Handwerker besser. Die ambitionierten jungen Ärzte gehen dann dementsprechend eher in die lukrativere Spezialisierung. Das ist nachvollziehbar, aber es braucht jemanden, der den Überblick behält – sowohl aus Qualitäts- als auch aus Kostenüberlegungen.
Auch in den Spitälern fehlt diese Grundversorgerrolle immer mehr, internistische Patienten werden aufgeteilt auf Subspezialisten. Die machen dann das, was sie in ihrem Fachgebiet gelernt haben, haben aber nicht unbedingt das grosse Ganze im Blick. Als ich vor knapp 30 Jahren am Limmattalspital anfing, hatten wir in der Inneren Medizin drei Kaderärzte – als ich 2019 in Pension ging, waren es 32! Ich konnte früher sämtliche Untersuchungen – von Lungenspiegelungen bis zur Herzdiagnostik – noch selbst durchführen, das ist bei der heutigen Diversifizierung bei weitem nicht mehr möglich. Aber es darf nicht sein, dass Arzt-Patientengespräche immer mehr untergehen.
3. Was könnte man tun, um dieser Tendenz entgegenzuwirken?
Nicht, dass Geld das einzige Argument für die Wahl einer ärztlichen Disziplin wäre, aber es ist doch ein Anreiz, der eine Rolle spielt. Die heutigen Verdienstunterschiede zwischen Spezialisten wie Gastroenterologen oder Urologen am oberen und Hausärzten und Psychiatern – besonders Kinderpsychiatern – am unteren Ende der Skala sind grotesk. Das Ganze ist nicht nur, aber auch eine Tariffrage. Arzt-Patienten-Gespräche, Koordinations- und Triage-Aufgaben, wie sie typischerweise die Hausärzte übernehmen, deutlich besser zu entschädigen, wäre ein grosser Schritt in die richtige Richtung.
Interview: Stephan Bader
Dr. med. Basil Caduff ist Facharzt für Innere Medizin und war von 1996 bis zu seiner Pensionierung 2019 Chefarzt der medizinischen Klinik am Spital Limmattal. In dieser Funktion war er viele Jahre ärztlicher Direktor des Spitals und nach einer Reorganisation Departementsleiter der nicht operativen Kliniken und Mitglied der Spitalleitung. Er war viele Jahre Vorstandsmitglied der Zürcher Chefärztevereinigung und in dieser Funktion Mitglied der Kommission Lehre der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich. Seit Anfang 2024 ist er Mitglied des Ärzteteams des amm Café Med Zürich.