Prof. Dr. Wolf Langewitz war bis zu seiner Emeritierung stellvertrender Chefarzt für Psychosomatik am Universitätsspital Basel sowie Professor und Lehrbeauftragter für Psychosomatik an der Universität Basel.
1. Sie sind neu im Beirat der amm. Was hat Sie bewogen, diese Aufgabe zu übernehmen?
Im Gesundheitswesen haben Organisationen/Institutionen ein erdrückendes Macht-Potential, unter dem die Interessen von Einzelnen verschwinden. Die Pharmabranche, Krankenkassen, Gerätehersteller und die Lobbyisten der interventionell tätigen Ärztinnen und Ärzte definieren, was wichtig ist, was finanziell attraktiv ist und was als Quantité negligeable durchgewunken wird.
2. Welcher Aspekt der Menschenmedizin ist Ihnen besonders wichtig? In welchem Bereich
sehen Sie besonders dringenden Handlungsbedarf?
Besonders wichtig ist mir eine klare Positionierung, die sowohl zu einer Utopie einer «Begegnung auf Augenhöhe» zwischen Fachpersonen und Betroffenen als auch zu einer technisch-apparativ dominierten Praxis der Medizin einen Sicherheitsabstand hält. Die Rede von der immer anzustrebenden Patienten-Orientierung hat durchaus das Potential, ihrerseits wie ein Übergriff wahrgenommen zu werden, wenn nämlich Betroffene schlicht eine Service-Leistung wünschen und keine allumfassende Wahrnehmung «als ganze Person». Die Begegnung «unter Partnern» ist angebracht, wenn es um die Frage des wechselseitigen Respekts geht. Sie ist unangebracht, wenn sie gleichgesetzt wird mit der Forderung, Betroffene so umfassend zu informieren, dass sie (fast) so schlau sind wie Expert*innen. Das ist hoffentlich eine unmögliche Aufgabe, denn Expertenwissen lässt sich auch auf den Einzelfall bezogen nicht innerhalb einer Stunde umfassend darlegen: Die Expertin weiss mehr als ich – deswegen habe ich sie aufgesucht.
3. Wenn Sie darüber entscheiden könnten: Welche konkrete Änderung würden
Sie am Gesundheitswesen in der Schweiz vornehmen und warum?
Ich würde die Ungleichbehandlung von interventionell tätigen Ärztinnen und Ärztinnen und den KollegInnen in der Grundversorgung aufheben. Es ist nicht einzusehen, dass nach einem Praxistag mal CHF 6.000 und mal CHF 1.500 als Verdienst herausschauen; beide haben gearbeitet und ihr Bestes gegeben, die Ausbildung haben wir alle als Schweizer Bürgerinnen und Bürger direkt und indirekt mitgezahlt.